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20.03.2006

Auf dem Drahtseil

Auf dem Drahtseil

Wie ein Drahtseilakt war sie
Meine Liebe zu Dir.
Ohne Netz und doppelten Boden
balancierte ich
Jahr für Jahr
über das dünne Seil,
das unsichtbar gespannt
zwischen Dir und mir
unser Leben fest verband.
Wie eine Marionette
in des Puppenspielers Hand
lief ich furchtlos,
voll Vertrauen
Tag für Tag,
in luftiger Höhe,
magnetisch angezogen
nur von Deinem Blick
und dem Zauber Deiner Stimme.
Bis eines Tags das Band zerriß,
das magisch uns verband.
Wie ein Stein fiel ich,
fall‘ ich noch immer
trudelnd durch mein kaltes Sein
und mein Herz
war kalt und schwer
wie Marmorstein.

Copyright Gisela Bradshaw

19.03.2006

Vergessene Worte


Vergessene Worte
 
Vergessene Worte
erzählt aus Kindermund
wie ein Echo
aus längst vergangenen Zeiten
und der Weisheit eines Lebens
fallen hinein
in das dunkle Reich meiner Träume
Kaum einen Sinn begreifend
lausche ich ergriffen,
staune atemlos,
gebannt;
in der Tiefe meines Seins.
Immer mehr will ich hören
aus längst verlorenen Tagen,
endlich Antwort finden
auf viele meine Fragen.
Dann Stille plötzlich,
Schweigen.
Ein letzter Kuss für mich
aus süßem Kindermund
flüchtig gepresst auf den meinen,
und er verschwindet,
der Überbringer in Kindesgestalt,
so unendlich süß und weise
Hand in Hand mit dem Gefährten
in der Schwärze dieser Nacht
und den unbekannten Tiefen
meines Traums.





12.03.2006

Lichtblick



Ein kalter Abend
senkt sich über die City,
über uns, die
leergesichtig, stumm,
durch die Strassen hetzen.
Auf einmal ist er da:
jung und schön
kommt er,
strahlend lächelnd
auf uns zu,
mit blitzenden Augen
im bronzenen Gesicht.
Wie einer Heldensage entsprungen
ist er aufgetaucht
in dieser grauen Masse,
geht vorbei
mit federndem Schritt,
als ob er tanzte,
ein kleines Lied auf seinen Lippen.
Vorbeigegangen ist er,
lächelnd,
für sich,
seine Liebste,
für seine Leute zu Haus,
und vielleicht
auch für uns.
Sendbote war er
aus einem Land,
wo Thymian und Zitronen blühen
und Wein tiefrot in Karaffen funkelt.
Ein Lichtblick war er,
den Himmel aufgerissen hat er
in unserer öden Welt.


Copyright 2006 G.B.

11.03.2006

Noch immer Winter...

Schneeflöckchen


Seit Stunden schon

Fallen sie vom Himmel

Zart und stumm,

Schneeflöckchen

Weiß und leicht,

Legen sich

Seit an Seit

Über Stadt und Land,

hüllen alles in

kristallnes Schweigen.

Die ganze Welt

scheint still zu stehen

Mit angehaltnem Atem

Erwartungsvoll lauschend

Hinein

in eine samtne Stille.


„Die Welt ist voller Wunder“

Copyright G.B.

10.03.2006

Zeit



"Zeit zu haben,
die Zeit vergessen zu können,

Zeit zu haben,
zu sehen und zu erkennen.

Zeit zu haben,
zu hören und zu erfühlen.

Zeit zu haben,
zu weinen und zu lachen.

Zeit zu haben,
achtsam zu lieben.

Zeit zu haben, glücklich zu sein."

von Richard Erlewein


Erinnerung

Manchmal
in meiner Erinnerung
sehe ich meiner Kindheit Gärten,
verwunschene Orte,
die geheimnisvoll
verträumt
in meinem früh’ren Leben lagen.
Ich atme wieder
den herben Duft
des wilden Thymians,
von frisch gemähtem Gras,
von Pfefferminze,
Tausendgüldenkraut.
Ich seh‘ die kleinen Apfelbäume
ächzend unter ihrer Früchte schweren Last
an deren Süße ich mich labte.
Im Schatten des alten Ahorns
lieg‘ ich wieder
auf einem Bett aus grünem Gras
und blick‘ den Wolkenschiffen nach
auf ihrer Fahrt ins Nirgendwo.
Manchmal
in meinen Träumen
finde ich mich wieder
in diesem Paradies
zurückgelassen
in längst vergang‘nen Tagen.

Copyright Gisela Bradshaw

09.03.2006

Lied der Blume


Ein Geschenk Gottes
bin ich,
Der mich im Augenblick
der Freude
Geschaffen hat
Aus einem kleinen Samenkorn.
Als kleiner Stern
bin ich gefallen
Von hoch oben
Hinab
ins Erdreich dieser Welt,
wo ich wachse und gedeihe.
Im Frühling wende ich mein Köpfchen
Vertrauensvoll der Sonne zu,
sauge ein
ihr warmes Licht.
Im Wind des Sommers
Wieg ich mich
vergnügt,
tanze mit den Bienen,
die kosend
meinen Nektar schlürfen.
Mit meinem süßen Duft
Erfülle ich die Wiesen,
entzücke jeden
der vorüber geht
mit meinen bunten Farben.
Wenn die Nacht herunterfällt
falt ich die Blütenfächer zu,
lass schläfrig mich bewachen
Vom Himmel über mir.
Eine Idee Gottes bin ich
Bunt und schön und rein,
ein Meisterwerk,
geschaffen
ihn zu preisen und zu ehren
Für alle Herrlichkeit der Welt.


Copyright2006 G.B.

02.03.2006

Liebessonett XC von Pablo Neruda

Ich vermeinte zu sterben,
fühlte die Kälte nahen,
und von all dem Gelebten nur dich ließ ich da;
dein Mund war mein Tag, meine irdischen Nächte
und Deine Haut der von Küssen gegründete Staat.

In diesem Augenblick hatten Bücher
und Freundschaft,
die unentwegt angesammelten Schätze,
das durchsichtige Haus, das du und ich erbauten,
ein Ende,
von allem entsagte ich,
nur nicht von Deinem Augenpaar.


Denn die Liebe, wenn das Leben uns quält,
ist einzig eine Woge
hoch über den Wogen,
doch wenn, ach, der Tod naht,
um an die Tür zu pochen,


bleibt allein dein Blick für soviel Leere,
nur eine Helle, um weiterhin nicht zu sein,
Deine Liebe allein,
um das Dunkel zu schließen.